Haltung und Strategie im Marketing

Reichweite ist kein Ziel, sondern ein möglicher Effekt sinnvoller Kommunikation.

Einordnung von Social Media, Reichweite und unternehmerischer Wirksamkeit

Unsere strategische Perspektive

Dieser Beitrag ist kein Werbetext und keine Ablehnung sozialer Medien. Es ist eine strategische Standortbestimmung. Als Agentur, die klassische wie digitale Marketingmaßnahmen verantwortet, sehen wir es als notwendig an, gängige Narrative kritisch zu prüfen – insbesondere dort, wo sie sich zu unhinterfragten Heilsversprechen verfestigt haben.

Facebook und Instagram sind heute fester Bestandteil vieler Marketingstrategien. Gleichzeitig zeigen empirische Daten, dass ihre Wirksamkeit stark kontextabhängig ist und mit strukturellen Abhängigkeiten einhergeht. Dieses Manifest verfolgt das Ziel, diese Spannungsfelder transparent zu machen. Es richtet sich an Unternehmen, die Marketing nicht als Selbstzweck, sondern als unternehmerisches Instrument verstehen.

Die vermeintliche Notwendigkeit von Marketing über META-Plattformen

Facebook und Instagram werden häufig als alternativlos dargestellt. Algorithmen, Nutzerzahlen im Milliardenbereich und detaillierte Werbeprofile suggerieren Effizienz und Präzision. Für viele Unternehmen entsteht daraus ein faktischer Zwang: Wer nicht sichtbar ist, existiert nicht. Diese Logik wird jedoch maßgeblich von den Plattformen selbst erzeugt. Die organische Reichweite wurde über Jahre systematisch reduziert, sodass Sichtbarkeit zunehmend nur noch über bezahlte Werbung erreichbar ist. Marketing über META ist damit weniger eine freie Entscheidung als eine strukturell hergestellte Abhängigkeit.

Politische und unternehmerische Ausrichtung von META

META ist ein global agierender Technologiekonzern mit primär ökonomischer Zielsetzung. Politische Wirkung entsteht dabei weniger durch explizite Programmatik als durch strukturelle Entscheidungen: Algorithmen zur Inhaltspriorisierung, Regeln zur Moderation sowie Geschäftsmodelle, die auf maximaler Interaktion beruhen. Zahlreiche Studien aus der Kommunikations- und Politikwissenschaft zeigen, dass stark emotionalisierende Inhalte – unabhängig von ihrer politischen Richtung – überdurchschnittlich hohe Reichweiten erzielen.

In der öffentlichen Debatte wird META wiederholt vorgeworfen, problematische Inhalte nicht konsequent zu regulieren, wenn diese zur Steigerung von Aufmerksamkeit und Werbewert beitragen. Diese Kritik richtet sich nicht ausschließlich aus einem politischen Lager, sondern wird von Forschenden, NGOs und staatlichen Institutionen unterschiedlicher Ausrichtung geteilt. Die politische Dimension ergibt sich somit weniger aus einer ideologischen Position des Unternehmens, sondern aus der systemischen Logik seiner Plattformarchitektur.

Moralische Spannungsfelder für politisch engagierte Nutzer

Für Nutzerinnen und Nutzer, die sich aktiv gegen Faschismus, Rassismus und autoritäre Tendenzen engagieren, stellt sich die Frage nach der Kohärenz des eigenen Handelns. Jeder Beitrag, jeder Kommentar und jede Interaktion erzeugt Daten, erhöht die Attraktivität der Plattform und trägt zur Monetarisierung bei. Selbst kritische Inhalte werden Teil des Geschäftsmodells. Moralisch betrachtet bedeutet dies, dass Engagement nicht außerhalb, sondern innerhalb der Logik des Plattformkapitalismus stattfindet – und diesen indirekt stärkt.

Monetarisierung: Wer profitiert wirklich?

Aus ökonomischer Perspektive basiert das Geschäftsmodell von Facebook und Instagram auf der Verwertung von Aufmerksamkeit und Nutzerdaten. Inhalte werden überwiegend von Nutzerinnen und Nutzern kostenlos produziert, während META diese Aktivitäten in personalisierte Werbeangebote übersetzt. Medienökonomische Analysen bezeichnen dieses Modell als Aufmerksamkeitsökonomie, in der Interaktion die zentrale Ressource darstellt.

Empirische Untersuchungen zeigen, dass der überwiegende Teil der durch Plattformaktivität generierten Wertschöpfung beim Plattformbetreiber verbleibt. Für einzelne Nutzer ist der monetäre Nutzen häufig indirekt, volatil oder nur für eine kleine Minderheit signifikant. Beiträge und Kommentare erfüllen daher primär eine Funktion innerhalb der Plattformökonomie, während ihr individueller Nutzen stark kontextabhängig bleibt.

Follower, Likes und Beitragsbeteiligung: Reichweite versus Realität

Follower-Zahlen und Interaktionsmetriken wie Likes, Kommentare oder Shares gelten als zentrale Erfolgsindikatoren sozialer Netzwerke. Empirische Studien zeichnen jedoch ein deutlich nüchterneres Bild. Untersuchungen von Meta selbst sowie unabhängige Analysen aus der Social-Media-Forschung zeigen, dass die organische Reichweite von Beiträgen im Durchschnitt nur etwa 5–10 Prozent der vorhandenen Follower erreicht. Bei Facebook-Seiten liegt dieser Wert teils unter 5 Prozent, bei Instagram etwas höher, jedoch ebenfalls rückläufig.

Auch die Interaktionsraten relativieren große Zahlen: Durchschnittliche Engagement-Rates bewegen sich je nach Branche häufig zwischen 0,5 und 3 Prozent. Das bedeutet, dass selbst bei mehreren tausend Followern nur ein sehr kleiner Teil tatsächlich aktiv mit Inhalten interagiert. Die Umrechnung dieser Interaktionen in wirtschaftlichen Nutzen ist unsicher. Studien aus dem Performance-Marketing zeigen, dass nur ein Bruchteil dieser Interaktionen zu Conversions, also tatsächlichen Käufen oder Anfragen, führt.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Aufwand und Ertrag. Die Erstellung eines qualitativ konkurrenzfähigen Reels oder Beitrags erfordert Planung, Produktion, Bearbeitung und kontinuierliche Wiederholung. Setzt man diesen Aufwand ins Verhältnis zu Reichweite, Engagement und realer Monetarisierung, zeigt sich, dass der wirtschaftliche Ertrag für viele Akteure marginal bleibt. Forschung zur Arbeitsökonomie digitaler Plattformen spricht in diesem Zusammenhang von einer strukturellen Entwertung kreativer Arbeit.

Vergleichsstudien zur Marketingeffizienz zeigen zudem, dass Kanäle mit geringerer nomineller Reichweite – etwa Newsletter oder Suchmaschinenmarketing – häufig höhere Conversion-Rates erzielen. E-Mail-Marketing erreicht in vielen Branchen Öffnungsraten von 20–30 Prozent bei deutlich messbareren Abschlüssen. Der geringere Reichweitenumfang wird hier durch höhere Relevanz und geringeren Streuverlust kompensiert.

Bezahlte Werbung auf Social Media: Reichweite, Wirkung und Grenzen

Bezahlte Werbung auf Facebook und Instagram kann kurzfristig hohe Reichweiten erzielen. Kampagnen erreichen je nach Budget Millionen von Impressionen. Studien zur Werbewirkung zeigen jedoch, dass hohe Sichtbarkeit nicht automatisch zu nachhaltiger Markenbindung oder Kundengewinnung führt. Click-Through-Rates bewegen sich im Durchschnitt häufig unter 1 Prozent, während Conversion-Rates stark von Branche, Angebot und Zielgruppenqualität abhängen.

Ökonomische Analysen weisen darauf hin, dass soziale Plattformen besonders effektiv im oberen Bereich des Marketing-Funnels sind, also bei Aufmerksamkeit und Erstkontakt. Die Effizienz nimmt jedoch in späteren Phasen – Vertrauen, Kaufentscheidung, Loyalität – deutlich ab. Zudem steigen die Kosten pro Klick und pro Conversion seit Jahren kontinuierlich an, was die Rentabilität insbesondere für kleinere Unternehmen einschränkt.

Gegenteilige Befunde zeigen, dass gut segmentierte Kampagnen mit klarer Zieldefinition durchaus positive Effekte erzielen können, insbesondere im E-Commerce oder bei zeitlich begrenzten Angeboten. Entscheidend ist jedoch, dass bezahlte Reichweite keine strukturelle Abhängigkeit ersetzt: Sobald Budgets reduziert oder gestoppt werden, bricht die Sichtbarkeit unmittelbar ein.

Das Influencer-Versprechen im Realitätscheck

Das Versprechen, über soziale Netzwerke substanzielle Einkommen als Influencer oder Content Creator zu erzielen, ist ein zentraler Bestandteil der Plattformnarrative. Marktstudien und Branchenanalysen zeigen jedoch ein stark asymmetrisches Bild: Ein sehr kleiner Prozentsatz der Creator erzielt hohe Einnahmen, während die große Mehrheit geringe oder keine regelmäßigen Erlöse erwirtschaftet.

Ökonomisch lässt sich dieses Phänomen als Winner-takes-most-Struktur beschreiben. Sichtbarkeit, algorithmische Bevorzugung und Markenkonzentration verstärken bestehende Ungleichheiten. Für viele Akteure stehen dem zeitlichen und kreativen Aufwand keine verlässlichen Einkommensströme gegenüber, was die Nachhaltigkeit dieses Modells infrage stellt.

Marketing jenseits von Social Media

Marketing ist kein Synonym für Social Media. Empirische Studien zur Marketingeffektivität zeigen, dass kanalübergreifende Strategien langfristig stabilere Ergebnisse liefern als eine starke Abhängigkeit von einzelnen Plattformen. Suchmaschinenmarketing, E-Mail-Marketing, eigene Webseiten, Content-Marketing, PR, lokale Netzwerke, Kooperationen und Veranstaltungen gelten in der Forschung als besonders nachhaltig, da sie auf wiederkehrende Kontakte, Vertrauen und Markenbindung abzielen.

Untersuchungen zur Datenhoheit und Kundenbeziehung zeigen zudem, dass Unternehmen außerhalb sozialer Netzwerke eine deutlich höhere Kontrolle über Reichweite, Ansprache und Messbarkeit behalten. Diese Kanäle erfordern meist höhere Anfangsinvestitionen in Inhalte und Struktur, reduzieren jedoch die Abhängigkeit von algorithmischen Veränderungen und steigenden Werbekosten.

Der Ausstieg aus Social Media: Möglichkeit und Konsequenzen

Ein vollständiger Ausstieg aus Facebook und Instagram ist aus unternehmerischer Sicht möglich, jedoch kontextabhängig. Studien zur Plattformabhängigkeit zeigen, dass kurzfristig Reichweitenverluste auftreten können, während langfristig Autonomie, Kostenkontrolle und Markenstabilität zunehmen. Besonders wissensbasierte, lokale oder spezialisierte Unternehmen profitieren häufig stärker von eigenen Kanälen als von massenorientierten Plattformen.

Gegenteilige Befunde zeigen jedoch, dass soziale Netzwerke in bestimmten Branchen – etwa im E-Commerce, in der Event- und Unterhaltungsindustrie oder bei stark visuell geprägten Produkten – nachweislich zur Umsatzsteigerung beitragen können. Ein Ausstieg ist daher keine normative Empfehlung, sondern eine strategische Abwägung zwischen Reichweite, Abhängigkeit und unternehmerischen Zielen.

Strategische Einordnung und Schlussfolgerung

Die Analyse macht deutlich, dass Social Media weder überschätzt noch grundsätzlich in Frage gestellt werden sollte. Facebook und Instagram sind leistungsfähige Werkzeuge innerhalb klar definierter Rahmenbedingungen. Gleichzeitig zeigen empirische Daten, dass Reichweite, Interaktion und wirtschaftlicher Erfolg nicht linear zusammenhängen.

Für Unternehmen ergibt sich daraus eine zentrale strategische Erkenntnis: Erfolgreiches Marketing entsteht nicht durch maximale Präsenz auf einzelnen Plattformen, sondern durch die bewusste Auswahl von Maßnahmen, die zum Geschäftsmodell, zur Zielgruppe und zu den verfügbaren Ressourcen passen. Soziale Netzwerke können dabei eine Rolle spielen – müssen es aber nicht.

Diese Perspektive ist kein Gegenentwurf zu digitalem Marketing, sondern eine Einordnung seiner tatsächlichen Leistungsfähigkeit. Sie fordert dazu auf, Marketing wieder als strategische Disziplin zu begreifen und Plattformen als Mittel, nicht als Zweck zu behandeln.

Leitlinien unserer Arbeit

  • Marketing folgt der unternehmerischen Strategie, nicht einzelnen Kanälen.
  • Reichweite ist kein Ziel, sondern ein möglicher Effekt sinnvoller Kommunikation.
  • Sichtbarkeit ohne Relevanz erzeugt Aufmerksamkeit, aber keinen nachhaltigen Wert.
  • Abhängigkeit von Plattformen erhöht Risiken und reduziert strategische Handlungsfreiheit.
  • Wirksamkeit entsteht dort, wo Aufwand, Nutzen und Kontrolle in einem nachvollziehbaren Verhältnis stehen.

Diese Leitlinien bilden die Grundlage für eine sachliche, datenbasierte und kontextabhängige Bewertung von Marketingmaßnahmen – digital wie klassisch.